Verpasst Nürnberg eine einzigartige Chance? – Die leidvolle Geschichte der Johannisstraße 41

//Verpasst Nürnberg eine einzigartige Chance? – Die leidvolle Geschichte der Johannisstraße 41

Verpasst Nürnberg eine einzigartige Chance? – Die leidvolle Geschichte der Johannisstraße 41

Jeder, der in Nürnberg die Gärten Johannisstraße 47, 45 und 43 besucht, ist überrascht von der „grünen Lunge“ im Stadtteil St. Johannis, der Ruhe und dem (wiederhergestellten) Beispiel für die ehemalige, im Mittelalter begründete, einzigartige Gartenkultur, die unter dem Oberbegriff „Hesperidengärten“ ein bedeutsamer Teil der Nürnberger Geschichte ist.

Die einmalige Chance, die bestehenden Hesperidengärten auszuweiten, ist aber in Gefahr, da große „Immobilienentwickler Nürnbergs“ das Grundstück Johannisstraße 41 als Spekulationsobjekt für die Bebauung mit Luxusimmobilien für solvente Kunden für sich „entdeckt“ zu haben meinen. Da diese Interessen nun auch noch durch den Eigentümer eines bestehenden, der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Hesperidengartens unterstützt wird, muss ein wachsames Auge auf die Entwicklung dieses Grundstückes gelegt werden, um die Chance für die Erweiterung der Nürnberger Gartenkultur nicht leichtfertig für alle Zeit  zu verspielen.

Ein Anlass, mich mit der Geschichte dieses Grundstückes zu befassen:

Schon die ersten Stadtpläne von Paul Pfinzing d. Ä. von 1596 und von Hieronymus Braun von 1608 weisen das Grundstück als bebautes Vorderhaus mit anschließendem Garten bzw. Wald aus. Die erste konkrete Gartengestaltung dieses Hesperidengartens ergibt sich aus der im Staatsarchiv Nürnberg verwahrten Federzeichnung von Hans Bien aus dem Jahr 1620. Ferner darf ich auf den Aufsatz von Frau Wiltrud Schmidt über die Geschichte dieses Anwesens in den Mitteilungen 74 / 2013 S. 14 Bezug nehmen. Dort ist die im Staatsarchiv Nürnberg verwahrte Federzeichnung von 1587 abgedruckt.

Schwemmer beschreibt in „Die Stadt Nürnberg“, 2. Aufl. 1971 das Anwesen als „Zweigeschossiger, verputzter Bau des 16./17. Jahrh. mit Stichbogenportal. In der Durchfahrt Bohlendecke mit Deckleisten. Ladeneinbau“. Das Anwesen wurde nachqualifiziert und ist nun unter D-5-64-000-917 auf S. 153 der Bayerischen Denkmalschutzliste unter besonderen Schutz gestellt.

Bis 1889 gehörte das Anwesen der Gärtnerswitwe Elisabeth Böhrer, die 1889 dann das gesamte Anwesen an den Pinselfabrikanten J. Beißbarth, als Vertreter der durch Zusammenschluss von insgesamt 15, u.a. in St. Johannis residieren Pinselfabriken, neu gegründeten „Vereinigten Pinselfabriken AG“ verkauft.

1891 unterhält die „Vereinigten Pinselfabriken AG“ noch sieben Niederlassungen mit der Hauptverwaltung in der Praterstraße 21. Eine weitere Zweigniederlassung ist in der Johannisstraße 14 (Fa. Pauschinger +Cie. Pinselfabrik und Borstenverlag), sowie der Hauptfertigung im neu gebautem Fabrikationsgebäude in der Johannisstraße 41.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts geht die „Vereinigten Pinselfabriken AG“ in den Besitz der Familie Leonhardy über, die ursprünglich mit eigener Fertigung als Inhaber der Fa. Pauschinger & Cie. in der Johannisstraße 14 residierte.

Den Krieg überstand das vordere Gebäude Johannisstraße 41 sowie die dahinter liegende Fertigung relativ glimpflich. Schon im Jahr 1966 hatte die Familie Leonhardy gegenüber der Stadt Nürnberg beantragt, das unter Denkmalschutz stehende Vordergebäude abreißen zu dürfen, um mit einem sechsgeschossigen Neubau eine große Wirtschaftlichkeit anzustreben und einem repräsentativen Bedürfnis Rechnung zu tragen. Diesem Begehren wurde von Seiten der Stadt Nürnberg nicht entsprochen.

2012 greift der Ehrenvorsitzende des Bürgervereins Herr Roland Cantzler in den Mitteilungen 72 / 2012 unter der Überschrift: Johannisstraße 41, Was tut sich hier? kritisch die Absicht der Vereinigten Pinselfabriken Leonhardy auf, die Verhandlungen mit der Stadt Nürnberg über einen Grundstückstausch abzubrechen und mit der Diakonie Neuendettelsau über einen Verkauf mit beabsichtigter Nutzungsänderung beider Gebäude (Kindergarten im Vorderhaus, Wohnhaus für Behinderte im Fabrik -gebäude) zu verhandeln.

Mit Schreiben vom 08.08.2012 weist der Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg Herr Dr. Maly sehr deutlich darauf hin, dass das Anwesen Johannisstraße 41 im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 4159 liegt, der den denkmalgeschützten Gebäudebestand in seiner ursprünglichen Ausformung als „Gartenhäuser“ und den Bereich der Pinselfabrik als „öffentliche Grünfläche – Parkanlage –(Hesperidengärten) festsetze. Dieses Schreiben ist in den Mitteilungen Nr. 73 / 2013 S. 16veröffentlicht.

Sehr deutlich weist Herr Dr. Maly auf die Ziele der Stadt Nürnberg hin, „die historische Parkanlage Hesperidengärten in seiner Gesamtheit herzustellen.“ Wörtlich beschreibt er die Pinselfabrik als „Fremdkörper“.

Gestützt durch diese Beurteilung der Stadt Nürnberg hatte der Bürgerverein 2015 die Garten- und Landschaftsplanerin Frau Petra Olesch beauftragt, Vorentwürfe für die Umgestaltung der Freifläche nach (möglichem) Abbruch des maroden Pinselfabrik-Gebäudes zu erstellen. Diese beiden, von Frau Olesch entworfenen Planungsvarianten wurden in den Mitteilungen des Bürgervereins 79 / 2016 S. 29 ff. dargestellt. Ein zusätzlicher Sonderdruck wurde erstellt. Die Variante 2 ist sehr zeitgemäß und passt sich durch die lange Hauptachse dem Garten Johannisstraße 43 sehr harmonisch an. Aus dieser Überlegung heraus wird die Variante 2 nochmals hier veröffentlicht: 151109_GL_Hesperidengarten_V2

Nach Übersendung des Entwurfs an die Stadt Nürnberg hatte Herr Dr. Maly mit Schreiben an den Bürgerverein vom 17.03.2016 nochmals das Ziel bekräftigt, auf dem Grundstück Johannistraße 41 wieder einen öffentlichen Garten anzulegen. Auch dieses Schreiben hat der Bürgerverein in den Mitteilungen 80 / 2016 S. 19 veröffentlicht.

Derzeit ist nach wie vor die Situation so, dass die Stadt noch keinen Zugriff auf dieses Grundstück hat. Zwar hat die Diakonie Neuendettelsau die Voranfrage auf Genehmigung eines Kindergartens wieder zurückgenommen, dennoch ist vor dem Landgericht Ansbach der Prozess um die Wirksamkeit des von der Stadt Nürnberg ausgeübten Vorkaufsrechts noch nicht zu Gunsten der Stadt Nürnberg entschieden. Offensichtlich ermutigt diese Tatsache die bereits oben von mir angesprochenen Bauträger, die Hoffnung nicht aufzugeben, in die noch vorhandenen Hesperidengärten Johannisstraße 47, 45, 43 und 39 eine Luxusimmobilie hineinbauen zu können.

Gerade im Hinblick auf die Bewerbung Nürnbergs um den Titel der „Kulturhauptstadt Europas“ wäre die Chance vertan, ein einzigartiges Kulturgut zu bewahren, wenn zu Gunsten einiger Weniger dem Profit Vorrang gegeben würde, vor dem Willen der Allgemeinheit und den Bewohnern im Stadtteil St. Johannis.

Deshalb ist Wachsamkeit angesagt und der Bürgerverein ist wach!

Ewald Weschky

2018-08-22T20:46:15+02:00