Von Nürnberg nach Hellas: Carl Haller von Hallersteins archäologische Aktivitäten in Griechenland

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Von Nürnberg nach Hellas: Carl Haller von Hallersteins archäologische Aktivitäten in Griechenland

Täglich bewundern Dutzende von Museumsbesuchern in der Glyptothek in München die beiden Tempelgiebel des Aphaiatempels von Aegina. Seine Skulpturen sind als „Aegineten“ weltbekannt. Doch nur wenige Besucher wissen, dass ihre Entdeckung mit der frühesten archäologischen Expedition von Deutschland nach Griechenland zusammen hängt.

Im Jahre 1808 begab sich der 1774 in Hiltpoldstein bei Nürnberg geborene Architekt und Bauforscher Carl Haller von Hallerstein auf die damals in europäischen Adelskreisen übliche „Grand Tour“ nach Rom. Der junge Haller, in Berlin bei den berühmten Lehrern David und Friedrich Gilly zum Architekten ausgebildet, war gerade erst wenige Jahre als Bauinspektor im Dienste der Stadt Nürnberg tätig, wo er zwischen 1806 und 1808 unter anderem die Hauptmarktarkaden gebaut hat, die bis 1895 existierten. Von seinem Arbeitgeber erbat er sich Urlaub für eine Studienreise nach Italien, um seine Kenntnis in antiker Architektur zu vervollständigen. Die Stadt gewährte ihm diesen für zwei Jahre bei laufendem Gehalt. Am 3. Juni 1808 verlässt Haller Nürnberg, in das er nie wieder zurückkehren sollte.

In Rom traf er mit Gelehrten aus anderen europäischen Ländern zusammen, mit denen er sich schnell anfreundete (so etwa mit dem Baltischen Baron Otto Magnus von Stackelberg, dem englischen Architekten Charles Robert Cockerell, dem Cannstätter Maler Jakob Linckh sowie den dänischen Altphilologen Peter Oluf Bröndsted und Georg Hendrick Carl Koes). Gemeinsam beschlossen sie, nach dem damals noch osmanisch besetzten Griechenland überzusetzen, um archäologische, architekturgeschichtliche und volkskundliche Bauobjekte zu studieren und anschließend zu veröffentlichen. Am 22. Juli 1810 war es soweit. Von Otranto aus setzten sie über.

In Griechenland nahmen sie sich als einem ihrer ersten Ziele den Aphaiatempel auf der Insel Aegina vor. Im Frühjahr 1811 begann man mit ersten Bauuntersuchungen. Als dann am Tempel auch Grabungen notwendig wurden, fanden Haller und seine Freunde die Giebelskulpturen des Tempels. Im Sommer 1812 wandte man sich dem Apollo-Epikuriostempel in Bassae, hoch in den Bergen Arkadiens gelegen, zu. Auch hier fand man bei Grabungen bald Skulpturen: den inneren Cellafries des Tempels. Beide Fundkomplexe erwarb man von der osmanischen Regierung in Konstantinopel. Die „Aegineten“, wie die Skulpturen des Aphaiatempels seither genannt werden, wurden bei einer Versteigerung vom Kronprinzen Ludwig I. für seine geplante Münchner Glyptothek erworben, der Bassaefries gelangte durch Ankauf ins Britische Museum nach London.

Hallers weitere Tätigkeiten in Griechenland umfassten Architekturvermessungen und Gebäuderekonstruktionen, so in Athen am Erechtheion, an den Akropolis-Propyläen und am Theseion, in Sunion am Apollontempel und in Eleusis am Demeterheiligtum. Erkundungsfahrten führten ihn auf die Peloponnes (Messene, Kalamata, Megalopolis, Nemea, Mistra, Sparta) und auf etliche Inseln (Ithaka, Delos mit Apollontempel und Theater, Chios und Melos). Nebenbei hat er in den Jahren von 1813 – 14 zahlreiche Architekturentwürfe für den Kronprinzen Ludwig in München angefertigt, darunter Pläne für die Glyptothek und die Walhalla. Mit diesen Entwürfen begründete Carl Haller den archäologischen Klassizismus in Deutschland.

Seine letzte große Ausgrabung und Bauuntersuchung galt dem antiken Theater auf der Kykladeninsel Melos. Vom 22. August bis zum 19. September 1816 begann er dort in einer ersten Kampagne ein Segment des Zuschauerraumes (Koilon) im Theater der antiken Stadt freizulegen. Vom 15. Mai bis zum 9. Juni 1817 war er zu einer zweiten Grabungskampagne wieder in Melos, musste aber wegen Ärger mit den Grabungsarbeitern die Arbeiten an der Bühne des Theaters vorzeitig abbrechen. Nach diesem abrupten Ende reiste er am 1. Oktober 1817 über Theben und Livadia zu den Thermopylen nach Mittelgriechenland, weil er vom Veli Pascha den Auftrag zum Bau einer Brücke – die „Königsdisziplin“ eines jeden Architekten – über den Peneios im Tempetal, erhalten hatte. Es sollte dies seine letzte Reise sein, denn die Fieberanfälle einer sich schon seit den Tagen auf Melos abzeichnenden Malaria wurden nun immer stärker. Am 21. Oktober erreichte er Larissa, versuchte wohl auch noch den Ort der geplanten Brücke im Tempetal aufzusuchen, musste aber dann, von schwersten Fieberanfällen geschüttelt, über Larissa und Trikkala nach Ampelakia zurückkehren. In Fieberphantasien, deren phantastische Bilder er sogar noch auf dem Krankenlager skizzierte, verstarb er dort am 5. November 1817. Sein Leichnam soll nach Athen überführt worden sein, wo er angeblich im Theseion, der Begräbnisstätte zahlreicher ausländischer Forschungsreisender, von dem er 1811 selbst noch eine Bauaufnahme gefertigt hatte, beigesetzt worden sein soll.

Sein Tod wurde zur Geburtsstunde der deutschen Archäologie. Als der „Griechenhaller“ ist er noch heute im Gedächtnis der Stadt Nürnberg präsent.

Klaus Dornisch

 

2017-10-29T20:42:20+01:00